„Ich möchte Bündigeres, Einfacheres, Ernsteres, ich möchte mehr Seele und mehr Liebe und mehr Herz.“ (Vincent van Gogh, Briefe)

Sehr geehrte Leserschaft,

wenn Eine eine Reise tut, dann kann sie was erzählen!

Ich bin zwar „nur“ nach Berlin gefahren aber trotzdem randvoll mit Eindrücken, die jetzt erstmal in Ruhe verarbeitet werden wollen. Vieles brodelt in mir und wie immer, wenn ich auf Reisen bin, fasse ich den festen Vorsatz, mein Leben zu ändern.

Diesmal will ich das Ganze aber professioneller angehen, damit nicht wieder alles nach wenigen Wochen im Sand verläuft! Mit dem Göttergatten habe ich bereits einen Termin für einen Konzeptionstag vereinbart. Wir bringen den Thronfolger liebevoll irgendwo unter und widmen uns an einem Sonntag von 10 bis 18 Uhr einmal ganz konzentriert und reflektiert nur unserer „Art zu leben“. Wir werden Rahmenbedingungen und Zielvereinbarungen treffen. Wir werden uns messbare und machbare Maßnahmen überlegen. Vielleicht machen wir sogar eine teambildende Gruppenübung.

Für den ersten familieninternen Konzeptionstag (ich werde als Abkürzung „FaminKo“ vorschlagen) haben wir uns als Thema „Ordnung und Geld“ ausgesucht. FaminKo gefällt mir gut, das klingt wie Flamingo und Flamenco!

Flamenco ist ja eine recht spannende Musik und somit der perfekte Soundtrack, wenn Eine ihr Leben ändern will – ich bin sehr gespannt!

Und jeder mag doch Flamingos!

Die geneigte Leserschaft darf jetzt mal in Flamenco-Träumen schwelgen:

Ich habe ja einen Hang zum Chaos. Ich finde das ausdrücklich nicht nur schlecht.

Man stößt darin auch oft zu ungeahnten Zeiten auf unerwartet inspirierende Dinge.

Ich sammle Andenken wo ich gehe und stehe. Ich habe Sorge, dass ich sonst zu viel vergesse.

Ich hebe auch vieles auf, weil ich es eventuell noch einmal brauchen werde oder weil es schlicht zu schade zum wegwerfen ist. Gleichzeitig mache ich mir nicht viel aus Geld. Ich würde es stets eintauschen gegen unbeschwerten Müßiggang oder die Verwirklichung wichtiger Projekte.

ABER: Wenn ich einem Minimalismus und einer Ordnung begegne, die Luft und Leichtigkeit vermittelt, dann werde ich ganz verzückt… wenn ich sehe, welche Ziele man sich mit klug investiertem und beizeiten gesparten Geld ermöglichen kann, dann will ich den Müßiggang vielleicht doch lieber auf später verschieben…

Diese blöden Arbeit/Müßiggang Sicherheit/Freiheit zweischneidigen Dinge immer!

Ich finde es sehr schwer, da die perfekte Balance zu finden. Aber eines steht jetzt erstmal fest:

Ich möchte kommerzielles Abrüsten betreiben. Also: weniger kaufen. Weniger haben, mehr reparieren und mehr tauschen, verschenken, verstecken oder entsorgen.

Und vielleicht ganz altmodisch Geld sparen. Darf man das eigentlich wieder? Lange Zeit hatte ich das sichere Gefühl, dass ich mein Geld besser zu Konfetti verarbeiten könnte, bevor ich es zur Bank bringe, dann hätte man damit wenigstens noch eine gehörige Portion Spaß haben können…

Eigentlich habe ich doch ohnehin eher immaterielle Wünsche und schließe mich dem Wunschzettel Van Goghs beinahe ausnahmslos an:

Mehr Seele. Mehr Liebe. Mehr Herz. Das war schon immer meins! Da bin ich sowieso voll dabei.

Bündigeres. Einfacheres. Das ist tatsächlich neu für mich. Das sind ganz neue Bedürfnisse und Sehnsüchte aber dafür habe ich doch sicher einen Platz in meinem Leben.

Ernsteres. Ich brauche ehrlich gesagt nichts Ernsteres. Ich tendiere eher dazu, die Dinge zu ernst zu nehmen. Aber fünf von sechs sind schon ok, kein schlechter Schnitt.

Dieser Van Gogh!

„Die Sternennacht“ hat mir immer am besten gefallen…

Mit freundlichen und doch ernsten Grüßen,

Fräulein Bork

P.S.: Was wäre das für ein Ende, wenn wir nicht doch noch ein paar Flamingos sehen würden?

Hier sind sie: wunderbar und alle in Tanzlaune!

„Geduld ist der Seele Schild.“ (Deutsches Sprichwort)

Sehr geehrte Leserschaft,

„Hallo“, sage ich in den Hörer, „Ich hatte ein Anruf-Sammel-Taxi bestellt und irgendwie kommt es nicht und es ist unglaublich gruselig hier, alle Leute sind weg, ich bin ganz alleine hier an der Haltestelle und es ist kalt und dunkel und ich wollte einfach fragen, ob es noch kommt oder ob es da ein Problem gibt.“

„Ja, wo waren Sie denn?!“

„Wie, wo war ich denn?! Ich war hier. Die ganze Zeit.“

„Nein.“

„Doch.“

„Der Fahrer sagt, Sie sind nicht zum Taxistand gekommen.“

„Nein. Ich stehe seit 20 Minuten an der Haltestelle für das Anruf-Sammel-Taxi (AST) 38, weil ich das AST38 für vor 10 Minuten bestellt habe. Da scheint es doch logisch, an der Haltestelle zu warten, direkt neben dem Schild wo AST38 drauf steht!“

„Die Sammeltaxis fahren aber nicht von den Haltestellen, sondern immer vom Taxistand.“

„?!“

„Ok, ist ja jetzt auch egal. Bleiben Sie wo Sie sind, ich schicke den Kollegen nochmal zu Ihnen.“

„Ich stehe direkt neben dem Schild.“

„Ja.“

„Von wegen: ’nochmal’…“

Fünf Minuten später bin ich komplett durchgefroren.

Der Taxifahrer kommt und sagt, als ich die Tür öffne: „Ich habe wirklich lange gewartet!“

Ich bin schon ziemlich schmallippig: „Ich war die ganze Zeit hier. Hier, wo das Schild steht. Hier, wo der Fahrplan hängt. Hier, wo die designierte Haltestelle ist!“

„Aber die Sammeltaxis fahren immer vom Taxistand.“

„Aber da war kein Schild.“

„Aber wir machen das immer so.“

„Aber woher soll ich das wissen? Woher sollen die Leute das denn wissen?“

„Wir machen das immer so. Nächstes Mal wissen sie es.“

Schilder regeln unser analoges Leben – und ich will Ihnen vertrauen können!

„Hm.“ Ich steige ein. Ich bin total sauer aber ich will nach Hause und endlich nicht mehr frieren. Ich setze mich nach hinten ins Taxi und merke erst da, dass ich mir die Rückbank mit der unfreundlichen Frau mit dem süßen kleinen Hund teilen muss, die bei mir um die Ecke wohnt.

Na toll!

Unfreundliche Menschen sollten überhaupt keine niedlichen Hunde haben. Damit ist niemandem gedient. Wenn man nicht angesprochen oder angelächelt werden möchte, ist es einfach ungünstig einen knuffeligen, lebensfrohen Welpen mitzuführen. Ich weiß wovon ich spreche, ich habe ein überaus niedliches Kind und ich werde auch permanent von Fremden angesprochen. Ist meistens gar nicht so schlimm. Oft gibt es sogar Geschenke für den Thronfolger. Neulich hat ihm ein netter Mann 30 Edelstahl-Grillspieße geschenkt. Etwas verwirrend, aber der Göttergatte, als einer der beiden rechtmäßigen Vermögensverwalter unseres Sprösslings, hat sich sehr darüber gefreut.

Ich bin immer noch sauer auf das Taxiunternehmen. Ich bin recht Schilder-folgsam. Ich parke nicht da, wo man nicht parken darf, ich füttere keine Enten, die ich nicht füttern soll und ich warte auf öffentliche Verkehrsmittel an den gottverdammten dafür vorgesehenen Haltestellen.

Ich hasse es, wenn die Dinge nicht so ablaufen, wie sie sollten. Dabei ist der Taxistand tatsächlich ein wesentlich besserer Abfahr-Punkt für das AST38. Längst nicht so weit weg vom S-Bahnsteig und längst nicht so nah am Waldrand, also wesentlich weniger gruselig. Ich bin ja nicht für eine sture Regelbefolgung, nur um der Regel willen, aber eine Neuerung sollte doch ordentlich und nachvollziehbar eingeführt werden.

„Malen Sie doch ein Schild.“, sage ich zum Sammel-Taxi-Fahrer, „’Abfahrt AST38 hier.’“

„Aber alle Leute wissen das.“, sagt der. Die unfreundliche Frau und der süße Hund nicken.

„Es kann doch nicht sein, dass ich die Einzige bin, die an der offiziellen Haltestelle gewartet hat.“, rufe ich. Betretenes Schweigen. Ich bin überzeugt, dass diese Menschen keine Ahnung von der Dunkelziffer der Leidtragenden haben. Es ist ja nicht jeder so kommunikationsfreudig wie ich.

Ich bin wohl gezwungen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen…

Fräulein Bork regelt mit einem kleinen Schild die Welt zum Besseren…

Vielleicht mache ich demnächst eine Crowdfunding-Aktion für ein wetterfestes, ordentliches Schild.

Mit wegweisenden Grüßen

Fräulein Bork

P.S.: Hier noch mein neues Lieblingsschild:

so wahr!

Ich glaube, Schilder sind mein neues Hobby.

Wer ein schönes oder lustiges Schild fotografiert hat, sendet es bitte an: post @kopflichter.de

Es wäre mir ein inneres Kirschblütenfest!

„Man soll ein Buch nicht nach dem Umschlag bewerten“ (Sprichwort)

Sehr geehrte Leserschaft,

man soll das zwar nicht, aber soooo verkehrt ist es anscheinend auch nicht. Zumindest nicht, wenn man genau hinschaut.

Es ist faszinierend, wie viel uns doch im Gesicht oder in den Klamotten geschrieben steht. Jüngst befand ich mich in einer Gruppe von fremden Frauen. In Dreier-Pärchen wurden wir gezwungen, Vermutungen übereinander anzustellen, uns selbst jedoch zu keiner Vermutung der anderen zu äußern. Familiensituation, beruflicher Werdegang, Karrierepläne und Hobbies wurden wild unterstellt – und bei der allgemeinen Auflösung kam heraus: sie stimmten fast immer irgendwie. Es war verblüffend.

Bis auf die Familiensituation, die war am schwersten zu erraten.

Wenn man ehrlich ist, ist das aber auch der am wenigsten planbare Bereich.

Man kann ja Kinder wollen oder nicht, aber ob, wann und mit wem man sie schließlich bekommt ist von so vielen Faktoren abhängig… Meiner Meinung nach unterliegt die Familienplanung der Chaostheorie.

Aber wir bilden uns eben gerne ein, wir hätten auch ein Wörtchen mitzureden.

Mir wurde übrigens unterstellt, dass ich gerne als Rucksackreisende in der Natur und in fremden Ländern unterwegs bin. Oh Fernweh!

Aus dem Archiv: Fräulein Bork (mit Rucksack!) hat sich damals in Nicaragua auf einem Markt etwas zu essen besorgt – und kurz darauf schrecklichen Durchfall bekommen.

Alle die mit mir bei der Veranstaltung waren, haben eine längere Familienphase hinter sich und wollen zukünftig etwas anderes machen als vorher. Wenn man ein Kind bekommen hat, ist das anscheinend so ähnlich wie ein Nahtodeserlebnis – man stellt das bisherige Leben in Frage.

Oft ist das bisherige Leben aber auch einfach nur unvereinbar mit dem neuen Menschlein. Meine Lust auf Wildnis musste ich zumindest sehr stark einschränken. In jedem Fall ist man raus aus dem bisherigen Trott.

Das Leben macht ja selten einen Stopp. Wenn es das aber tut – aus welchen Gründen auch immer, dann wäre man ja schön blöd, wenn man nicht die Weichen neu justiert.

Chaosforschung: Mandelbrotmenge: superschön!

Um nochmal auf die Chaosforschung zurück zu kommen: Am besten gefallen mir dabei die Mandelbrotmengen. Die geneigte Leserschaft erinnert sich da vielleicht noch dran: der lustige Name und die bunten Bilder im Physik-Unterricht…

Die Chaostheorie beschäftigt sich mit dem Moment, an dem aus chaotischen Systemen eine erkennbare Ordnung hervorgeht und andersherum, dem Moment an dem ein geordnetes System in ein Chaos kippt. Meistens hat das mit einer Vielzahl von Faktoren zu tun.

Wenn ein System sehr vielen äußeren Einflüssen ausgesetzt ist oder wenn große Kräfte wirken, ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, das wir nicht mehr vorausberechnen können, wie sich die Dinge entwickeln. So erklärt sich mein Leben wunderbar. Viele Einflüsse. Große Kräfte. Ordnung kippt in Chaos. Chaos kippt in Ordnung.

Ist in Ordnung.

Es gibt dazu das hübsche Beispiel von dem Schmetterling, der in Brasilien mit den Flügeln schlägt und zwei Jahre später ist daraus ein Sturm über Kansas geworden (vgl. „Schmetterlingseffekt“).

Wir lieben solche Bilder!

Weil sie poetisch sind und weil sie uns das Gefühl geben, dass wir mit unserem Leben einen Unterschied machen. Auch wenn wir nur mal eben mit den Flügeln schlagen.

Ein gutes Beispiel ist auch der Film „Lola rennt“, den hat die geneigte Leserschaft ja sicherlich schon längst gesehen. Hier ein bisschen Soundtrack, zur Erinnerung: Thomas D. und Franka Potente nahmen damals Geschwindigkeit auf mit dem Titel „Wish“

Wer das jetzt nicht bis zum Ende durch gehört hat: zum Schuss fällt immer der gleiche Satz

„Ich brauch‘ Dich doch auch nicht mehr als Du mich!“

Schlimm eigentlich, dass ‚brauchen‘ immer noch so uncool ist.

Das man immer darauf achten muss, nicht irgendwie bedürftig zu wirken. Selbstständig und souverän sollen wir mit den Ereignissen umgehen. Selbstbewusst alle davon überzeugen, dass wir den Erfolg mit Löffeln gefressen haben. Ist ja auch superschön – aber das kann man nicht ewig durchhalten.

Auf der eingangs beschriebenen Veranstaltung stellte ich fest: Es tut so gut, wenn man etwas gemeinsam macht, es tut so gut, wenn man sich austauscht,  wenn man sagt, was man braucht.

Es tut so gut, ein offenes Buch zu sein!

Offene Bücher vereinigt Euch!

Lasst uns eine gigantische Bibliothek werden!

Mit chaotischen Grüßen

Fräulein Bork

„Das Leben bedeutet eine fast lückenlose Reihe gemeinsamer Entdeckungen.“ (Gerhart Hauptmann)

Sehr geehrte Leserschaft,

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wenn man ein untypisches Leben führt, wird man oft dazu aufgerufen, sein Leben „auf die Reihe zu kriegen“. Nicht selten ist diese Empfehlung in höchstem Maße berechtigt und gut gemeint.

Wer aus der Reihe tanzt hat es schwer und stürzt mitunter ab.

Und Wege, breitgetretene Pfade, haben durchaus ihre Berechtigung – wer einmal versucht hat, mehrere Tage querfeldein zu wandern, kann das sicher bestätigen.

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Diese ominöse Reihe.

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Das etymologische Wörterbuch definiert:

Reihe – mehrere Personen oder Sachen in geregeltem Neben- oder Hintereinander, geordnete räumliche oder zeitliche Folge, Serie“

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Von einem geordneten Neben- oder Hintereinander meiner Personen oder Sachen kann ich leider nicht berichten.

Auch die räumliche und zeitliche Abfolge meiner Memoiren ist mitunter eher verwirrend.

Die Ereignisse finden in meinem Leben oft nicht in der vorgeschlagenen Reihenfolge statt.

Manches Mal bilden sie auch einen Komplementärkontrast zu vorherigen Erfahrungen.

Ich interessiere mich eben für vieles, und will nichts unversucht / ununtersucht lassen, wenn mich etwas fasziniert.

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Das sorgt für Lücken im Lebenslauf.

Das sorgt für Brüche in der Biographie.

Das wird nicht gern gesehen…

Das werde ich nie verstehen…

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Wenn ich einmal auf Gerhart Hauptmann eingehen darf: vielleicht ist es bei dieser Reihe viel wichtiger, das Erlebte und das Entdeckte – gleichsam einer Perlenkette – ordentlich aufzufädeln.

Damit man das Erfahrene bewahrt und parat hat: auch die Fehlschläge, auch die Glücksmomente, auch die Irrtümer, auch die Zufälle, auch die Rätsel, auch die Leidenschaft, auch die Scham, auch das Feuer, auch den Frieden, auch die Scheu, auch den Nervenkitzel, auch die Güte…

Wer vornehmlich die Welt, und das Verhalten der Mitmenschen, in richtig und falsch aufteilt, hat sein Leben noch nicht auf der Reihe – oder hat noch nichts erlebt!

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Für mich bedeutet diese Reihe aber auch, dass ich imstande bin, einen Sinn in dem was ich tue zu sehen. Meinen eigenen roten Faden zu finden. Egal wie chaotisch es von außen wirken mag.

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Diese Reihe hat auch oft mit Realitätsflucht zu tun – wer sich entzieht, kann das Erlebte nicht auffädeln.

Wer sich entzieht, verliert sich oft aus den Augen.

Aus den Augen aus dem Sinn. Aus die Maus.

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Das Leben auf die Reihe zu bekommen, bedeutet letztendlich auch, dass ich für das was ich tue zumindest teilweise ein Gehalt beziehe, um am Leben in der Gesellschaft teilnehmen zu können.

Es bedeutet also für die meisten künstlerischen Menschen, sich von ihrem Traumberuf zu verabschieden.

– oder ihr Leben niemals so recht auf die Reihe zu bekommen…

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Aber – Hand auf’s Herz – wer unter den geneigten Lesern in allen Kategorien sein Leben auf der Reihe hat, der werfe die erste Perle!

Gerne in meine Richtung.

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Mit freundlichen Grüßen

Fräulein Bork