Sehr geehrte Leserschaft,
„Guten Morgen!“ trällere ich durch den Flur, denn ich durfte heute ausschlafen und bin somit bester Laune. „Habt ihr auch schon alle Euer Penicillin genommen?“ rufe ich aus der Küche, während ich mein Penicillin nehme. Aha, der Thronfolger muss seines noch kriegen, der Göttergatte hat schon.
„Schnell!“, ruft der Göttergatte, „Die fangen gleich mit der Sprengung an!“
Hui! Das hatte ich ja fast vergessen…
Aber der Göttergatte hat uns zum Glück schon Plätze in der ersten Reihe, nämlich in der Live-Berichterstattung des Hessischen Rundfunks ergattert und so beginnt mein Morgen mit einem ordentlichen Knall!
So gefällt mir das.
Ich habe in diesem gerade gesprengten Uni-Turm natürlich auch mal ein paar Vorlesungen besucht und in unserer Küche steht immer noch eine Kaffeetasse, welche aus der Cafeteria des Ungetüms stammt. Da springe ich doch jetzt gleich mal auf und bereite mir einen Kaffee in besagter Tasse – zum Gedenken – und dabei schaue ich mir noch mal schön die Explosion an!
Eigentlich wollten wir bei der Rekord-Sprengung ja sehr gerne selbst vor Ort sein aber der Thronfolger und ich haben Scharlach. Der Göttergatte steht unter Scharlach-Verdacht. Wir schlucken alle Penicillin und verhalten uns ruhig.
Die Krankheit hat es ganz schön in sich: früher wurden die erkrankten Kinder sechs Wochen in Quarantäne gesteckt, bis alles auskuriert war.
Wie schön, dass wir hier und heute so einen guten Zugang zu Medikamenten haben! So lässt sich relativ schnell abhandeln, was noch vor hundert Jahren die schiere Existenz meiner kleinen Familie bedroht hätte. Wir hingegen dürfen alle am Montag wieder arbeiten gehen und sind schon seit gestern nicht mehr ansteckend.
Das Penicillin bzw. seine Wirkung wurde ja 1928 von Alexander Fleming zufällig entdeckt und getauft.
Das ist natürlich schrecklich ungenau. Es gibt nicht „das Penicillin“ sondern verschiedene Penicilline und überhaupt und so weiter aber das würde hier zu weit führen. Wir wollen uns lieber über das Serendipety-Prinzip freuen, welches dahinter steckt.
Wikipedia sagt: „Der Begriff Serendipität (englisch serendipity), gelegentlich auch Serendipity-Prinzip oder Serendipitätsprinzip, bezeichnet eine zufällige Beobachtung von etwas ursprünglich nicht Gesuchtem, das sich als neue und überraschende Entdeckung erweist. […] Serendipität betont eine darüber hinaus gehende Untersuchung, eine intelligente Schlussfolgerung oder Findigkeit.“
Man darf also nicht nur drüber stolpern, sondern muss auch offen sein, für neue Erkenntnisse und dann schlaue Schlussfolgerungen ziehen. Aber: es darf dabei nicht um das gehen, was man eigentlich gesucht hat. Serendipität lässt sich nicht planen!
Aber man kann seine Chancen erhöhen, indem man quasi aus dem Augenwinkel Ausschau hält, nach allem, was sich gerne als Erkenntnis präsentieren würde…
Der Begriff Serendipity lehnt sich an ein persisches Märchen aus dem Mittelalter an: Die drei Prinzen aus Serendip:
Die Prinzen entdecken unterwegs so allerlei – während sie eigentlich etwas ganz anderes suchen. Diesem Effekt verdanken wir neben dem Penicillin auch Teflon, die Post-its und Amerika. Na gut, Amerika wäre uns früher oder später sicherlich aufgefallen… Da waren doch sogar mal irgendwelche Wikinger, oder?
Sei’s drum.
Wer suchet, der findet! Und früher oder später finden wir auch das Glück in uns – wenn wir dafür offen sind. Vielleicht, während wir gerade die Brille suchen, oder die Autoschlüssel, oder einen Parkplatz.
Mit scharlachroten Grüßen
Fräulein Bork
P.S.:
Hier sei der interessierten Leserschaft der Kurzfilm „Scharlach“ der geschätzten Astrid Rieger zu empfehlen.
Sie ist Regisseurin und Drehbuchautorin und hat vor vielen, vielen Jahren, noch im Studium, diesen Film gemacht, der so ruhig und liebevoll zeigt, wie manchmal einfach alles schief geht und doch geht alles immer irgendwie weiter.