Sehr geehrte Leserschaft,
nun bin ich ja gar kein Raufußkauz, obgleich ich manchmal so gucke. Und obgleich ich finde, dass alleine schon das Wort „Raufußkauz“ dermaßen entzückend ist, dass ich gerne zu denen hinüber-konvertieren würde. Ist aber schwer machbar.
Ich hatte letzte Woche ein Treffen mit einem Produzenten aus New York, um über mein neues Filmprojekt zu sprechen.
(Der geneigte Leser lässt sich jetzt den vorherigen Satz bitte nochmal auf der geistigen Zunge zergehen. Ist das nicht cool ?? So etwas wollte ich schon immer mal sagen!)
Es ging dabei aber nicht wirklich darum, meinen Dokumentarfilm zu realisieren, sondern es war ein Mentorengespräch, für das ich mich beworben hatte.
Ich erzählte dem Produzenten auch davon, dass ich plane, Drehbücher für Spielfilme zu schreiben und er meinte, aus Deutschland käme eigentlich fast nie irgendetwas, das zu gebrauchen wäre, weil die Deutschen sich irgendwie weigern, die Drehbücher so zu schreiben, dass die Leute das dann auch sehen wollen (er hat das natürlich alles viel höflicher gesagt und so, aber ich gebe hier die Quintessenz wieder, damit wir demnächst auf den Punkt kommen können).
Freundlicherweise hat er mir angeboten, mir einige Drehbücher zu schicken, die aus seiner Sicht (und auch aus ökonomischer Sicht) super seien, damit ich nach deren Lektüre mit mir selbst ausmachen könnte, ob ich mich wirklich in der Lage sähe, solche Geschichten zu schreiben.
Das fand ich toll und nett und pragmatisch und das geht auch herrlich mit meiner Sammelleidenschaft konform!
Am nächsten Morgen hatte ich eine Email mit 18 (!) Drehbüchern im Postfach. Alle ausnahmslos von Männern geschrieben.
Ich hätte vielleicht nicht ganz so sehr wie ein Raufußkauz geschaut, wenn mir etwas ganz ähnliches nicht neulich bei einem Drehbuchseminar für Dokumentarfilme passiert wäre.
Da haben wir in drei Tagen 20 Filmbeispiele besprochen, die waren auch alle durch die Bank weg von männlichen Filmemachern – gegen die ich ja wirklich nichts habe! Mann wird nur verstehen, dass sich da leichte Existenzängste auftun, wenn man eben eine Frau ist.
Wenn ich jetzt Informatik studiert hätte mit zwei anderen Frauen und 300 anderen Männern, dann würde ich mich nicht weiter wundern, dass die meisten Programme von Männern geschrieben werden – aber in der Filmbranche sehe ich doch die Frauen ÜBERALL. Das ist doch total gruselig.
Der gleiche Produzent findet natürlich auch, dass ich mich als Frau in der westlichen Welt nicht beschweren sollte, weil mir ja hier durch mein Frausein nur vergleichsweise geringe Nachteile entstehen.
Hm.
Interessant finde ich ja erstmal die Tatsache, dass die meisten Männer gleich denken, ich möchte mich beschweren, wenn ich erzähle, dass mein nächster Dokumentarfilm „Fräulein Bork denkt über’s Frausein nach“ heißen soll.
Nein, nein, keine Sorge – ich will mich nicht beschweren, ich will mich verständlich machen.
Ich kann meiner Weiblichkeit durchaus positive Aspekte abgewinnen und andere Dinge finde ich weder gut noch schlecht, sondern einfach nur interessant oder erwähnenswert. Aber wieder andere Dinge sind in unserer Gesellschaft einfach doof geregelt oder schlecht durchdacht und die wird man ja wohl noch ansprechen dürfen!
Da muss auch niemand Angst haben: ich bin eher der Typ-Lichterkette als der Fackeln-und-Heugabeln-Typ.
Ich weiß ja: ich kann mich schon glücklich schätzen, dass mir nicht die Genitalien verstümmelt werden, dass ich schreiben und lesen lernen durfte und nicht im Ganzkörperzelt verschleiert herumlaufen muss.
Auch was sexuelle Übergriffe angeht, bin ich im Vergleich zu anderen relativ glimpflich davon gekommen, ich bin nur oftmals belästigt, oftmals begrabscht, und gelegentlich verfolgt worden. Und einmal hatte ich richtig Angst, als ein Verfolger mir bis nach Hause hinterher kam und ich ihm gerade noch die Haustüre vor der Nase zuschlagen konnte (er hatte die Hose schon geöffnet). Durch die Glasscheibe der Haustüre konnte ich sehen, wie er sich noch vor dem Haus einen herunter holte.
Wie gesagt, jammern auf hohem Niveau.
Lustigerweise steht ausgerechnet das Raufußkauz-Weibchen für Emanzipation in der Vogelwelt, weil es bei guter Futterlage seinem wohlgenährten Männchen die Kinderaufzucht allein überlässt und einige Kilometer weiter mit einem anderen Männchen eine neue Familie gründet. Der Stern titelt: „Bigamie beim Federvieh“ und „Raufußkauz-Weibchen: sie lassen Mann und Kinder im Stich“.
Ich verstehe Emanzipation irgendwie anders und ich habe auch kein Bedürfnis meinen wohlgenährten Mann mit unserem Nachwuchs allein zu lassen. Andererseits möchte ich jetzt das Raufußkauz-Weibchen auch nicht verurteilen, die haben ja ein ganz anderes Leben, diese Vögel.
Da ich grundsätzlich zur Fairness neige, habe ich mir überlegt: vielleicht sollte ich den Film umbenennen in „Fräulein Bork denkt über’s Frausein nach – und über’s Mannsein auch“. Ich denke nämlich tatsächlich viel über das Mannsein nach – schließlich gehört das alles zusammen. Wir sind wie zwei Enden derselben Wurst!
Und ich weiß: Ihr da am anderen Ende habt es auch nicht leicht.
Ich denke wir sollten uns daher generell als Team verstehen.
Liebe Leserschaft, ich finde unsere Rollenbilder unpassend und ich finde, die drücken überall… wie zu kleine Schuhe.
Es hat sich schon viel verändert, ich weiß. Aber die Richtung stimmt meiner Ansicht nach nicht ganz, weil wir uns, glaube ich, noch immer nicht richtig verstehen.
Ich finde auch nicht alles schlecht und ich weiß, liebe Männer: Ihr wisst bald gar nicht mehr wie Ihr Euch noch verhalten sollt.
Trotzdem. So soll das nicht weitergehen.
Ich möchte eine Revolution!
Eine Lichterketten-Revolution!
Und der Raufußkauz soll unser Wappentier sein!
Los, alle mitmachen!
Mit raufußkauzigen Grüßen
Fräulein Bork